Zur Mutter-Kind-Beziehung in Erich Kästners Roman Emil und die Detektive

 

 

von

 

Dr. Taha Ibrahim Ahmed Badri

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Der deutsche Schriftsteller Erich Kästner ist im allgemeinen bekannt als Verfasser von Romanen für Kinder. Dabei ist er in erster Linie ein Moralist und ein Erzieher; das bestätigen wohl seine hervorragenden Werke, wie wir es z.B. in seinem vorliegenden Kinderroman Emil und die Detektive erfahren werden.

 

Wer ist eigentlich Erich Kästner? Wie ist er ein bekannter Schriftsteller geworden? Was hat er für Kinder und über Kinder geschrieben? Im folgenden werde ich zunächst auf diese Fragen kurz eingehen, da ich gerne dem geehrten Leser diesen Schriftsteller vorstellen möchte.

 

In sehr einfachen Verhältnissen wurde Erich Kästner am 23. Februar 1899 in Dresden geboren. Sein Vater war ein Sattler. Nach dem frühen Tod des Vaters machte ihn seine Mutter zu ihrem Lebensinhalt. Sie dachte immer daran, womit sie – als eine verwitwete Frau und Mutter von einem kleinen Jungen – Geld verdienen könnte. Deshalb lernte sie mit fünfunddreißig Jahren Friseuse. Dann konnte sie als selbständige Friseurin arbeiten. Sie frisierte die Frauen aus der Nachbarschaft, um ihrem Sohn eine gute Schulbildung zu ermöglichen[1] (vgl. Emils Mutter, Frau Tischbein, im vorliegenden Roman!).

In der Zeit von 1906 bis 1913 besuchte Erich Kästner die Volksschule, dann besuchte er das Freiherrlich von Fletscher’sche Lehrerseminar in Dresden. Von 1917 bis 1918 verbrachte er den Militärdienst. Nach dem Abitur am Dresdner König-Georg-Gymnasium (1919) begann er sein Studium im Bereich der Germanistik, der Geschichte, der Philosophie und der Theatergeschichte. Da Erich Kästner seine Mutter sehr lieb hatte, versuchte er immer, der beste Schüler und dann der beste Student zu sein. Er war stolz darauf, dass er somit seiner Mutter große Freude machen konnte. Er war auch stolz darauf, dass er somit seiner Mutter ein bisschen vergelten konnte, was sie für ihn immer tat. Es ist echt ein sehr tiefes Liebesgefühl, sei es von der Seite der Mutter ihrem Sohn gegenüber oder auch von der Seite des Sohnes seiner Mutter gegenüber.

 

Selbst als Student begann Erich Kästner in Leipzig in vielen Zeitungen und Zeitschriften zu veröffentlichen (ab 1920 z.B. seine ersten Zeitungsveröffentlichungen, 1922 Anstellung am Zeitungswissenschaftlichen Institut in Leipzig und Mitarbeiter an der Neuen Leipziger Zeitung[2]), um sich dann rasch zu einem der populärsten Verfasser kritischer Gesellschaftssatire zu profilieren. Ab 1927 gewann das Großstadterlebnis eine besondere Bedeutung in seinem Werk. Die kulturelle Metropole Berlin ist als eine Großstadt zum Brennpunkt seiner Gesellschaftskritik geworden, d.h. die Großstadt Berlin bot dem Denker und Schriftsteller Erich Kästner unbegrenztes Anschauungsmaterial für seine journalistischen und eigenen literarischen Arbeiten an. Zu diesen literarischen Arbeiten gehört in erster Linie eben sein Kinderroman Emil und die Detektive, in dem er die Hochhäuser, die Straßen, die vielen Autos, aber auch die menschlichen Beziehungen in der Stadt Berlin beschreibt.[3] Erich Kästner beschäftigte sich in seinem Werk auch mit rein menschlichen Problemen, z.B. Einsamkeit, Trauer, Freundschaft, vor allem aber Müttersorgen, wie es in Emil und die Detektive der Fall ist.

In seinen Werken – seien sie Romane oder Gedichte – beschäftigte sich Erich Kästner im großen und ganzen mit den kleinen Leuten der Gesellschaft, wie z.B. Arbeitslosen, unselbständigen Angestellten, also Unter- und Mittelbeamten u.ä. Als ein Schriftsteller, der seine Gesellschaft liebt, versuchte er die alltäglichen wirtschaftlichen und sozialen Nöte dieser kleinen Leute darzustellen. Dabei zeigte er Sympathie und Mitleid gegenüber diesen Leuten.[4]

 

Der Kinderroman Emil und die Detektive, 1928 erschienen, besitzt jedoch unter allen Werken Erich Kästners eine besondere Stellung. Es war zum einen Kästners erster Kinderroman und mit ihm wurde er einem großen Publikum bekannt; zum anderen war dieses Werk eine realistische Kindergeschichte, in der die eigene Kindheit des Schriftstellers dargestellt worden ist. Der Beweis dafür, dass Emil und die Detektive als das erfolgreichste Kinderbuch Erich Kästners gilt, lässt sich wohl darin dokumentiert, dass dieser Roman schon verfilmt und in 24 Sprachen übersetzt wurde, darunter auch die arabische Sprache.[5] Darüber hinaus erhielt Kästner 1960 mit diesem Roman die Internationale Hans-Christian-Andersen-Medaille für Kinderbücher, die je zwei Jahre einmal erteilt wird. Zu dieser besonderen Stellung von Emil und die Detektive unter den literarischen Werken Kästners schreibt Klaus Fischer:

 

„Seinen großen internationalen Erfolg verdankt Erich Kästner wohl seinem ersten Kinderroman „Emil und die Detektive“ (1928); durch ihn, verstärkt durch die folgenden Kinder- und Jugendbücher, wurde zumindest nach dem Krieg ... das Bild des Autors für ein breiteres Lesepublikum geprägt. Um Kinder als autonom und nicht unterlegen zu begreifen, sollte – so Kästner mehrfach – für jeden Erwachsenen, insbesondere für jeden Kinderbuchautor gelten, die Erinnerung an die eigene Kindheit wachzuhalten (mit ihrem authentischen Erleben von z.B. Freude, Liebe oder Phantasie).“[6]

 

Die Erinnerung an die eigene Kindheit mit ihrer Freude, ihrer Liebe und ihrer Phantasie trug also u.a. dazu bei, dass Kästners Kinderroman Emil und die Detektive einen großen Erfolg (sei es innerhalb Deutschland oder auch im Ausland) erlebt hat und noch erlebt. Diese Erinnerung verleiht dem Roman eben den Charakter der Wahrhaftigkeit.

 

Zum großen Erfolg dieses Kinderromans gehören auch die hervorragenden Ideen, die Erich Kästner hier dargestellt hat, wie z.B. die Ideen der Nächstenliebe, der Hilfsbereitschaft, der Gerechtigkeit, der Besonnenheit, der Aufrichtigkeit, der Ehrlichkeit u.a. All diese Ideen sind in diesem Kinderroman von der Hauptfigur Emil (dank der guten Erziehung durch seine Mutter) und von den anderen Kindern, also den Kameraden Emils, praktiziert worden.

 

In Kästners Kinderroman Emil und die Detektive geht es nämlich um den Realschüler Emil Tischbein, der mit hundertvierzig Mark zu seiner Großmutter nach Berlin reist. Unterwegs wird er im Zug bestohlen. Mit Hilfe von Berliner Kindern gelingt es ihm jedoch, den Dieb festzuhalten und die hundertvierzig Mark zurückzuhaben.[7]

 

Ich habe bereits erwähnt, dass der Roman Emil und die Detektive eine realistische Kindergeschichte darstellt. Das hat nach Kästners Auffassung seinen Grund: einerseits „dürfen auch dem kindlichen Wirklichkeitserleben anhaftende Leiderfahrungen nicht ausgeklammert werden“[8] (gemeint sind hier wohl die Leiderfahrungen, die der kleine Emil Tischbein  - da ihm hundertvierzig Mark bestohlen wurden – während seiner Reise nach Berlin erlebt hat), andererseits „findet die gesellschaftlich korrumpierte Erwachsenenwelt durchaus Eingang in die Kinderbücher.“[9] Die korrumpierte Erwachsenenwelt ist hier repräsentiert durch den Dieb, also Herrn Grundeis mit dem steifen Hut, der während der Reise nach Berlin dem kleinen Emil eine (scheinbar mit einem Schlafmittel gemischte) Tafel Schokolade gegeben und ihm dann die hundertvierzig Mark bestohlen hat.

 

Wer ist aber Emil Tischbein? Warum fährt er alleine nach Berlin? Wer hat ihn erzogen und wie? Wie sieht seine Beziehung zu seiner Familie aus, insbesondere zu seiner Mutter? Inwieweit sorgt seine Mutter für ihn nach dem Tod seines Vaters? All diese Fragen sind meines Erachtens von großer Bedeutung für meine Untersuchung. Im folgenden werde ich versuchen, diese Fragen zu beantworten, um dadurch die Mutter-Kind-Beziehung in diesem Roman hervorzuheben.

 

Der kleine Emil Tischbein, also die Hauptfigur dieses Romans, ist in einer kleinen Stadt namens Neustadt in einem einfachen Miethaus und in einer armen Familie geboren. In Neustadt verbrachte er auch seine Kindheit und besuchte die Realschule. Er war ein fleißiger Schüler: er lernte gern und viel. Der Realschüler Emil Tischbein hatte keinen Vater mehr. Deshalb musste seine Mutter alleine für ihn sorgen, sie musste arbeiten, sie arbeitete nämlich als Friseurin. Das Friseurhandwerk erlernte sie mit vierunddreißig Jahren. Sie empfing ihre Kundinnen, also die Frauen aus der Nachbarschaft, zu Hause im Schlafzimmer. Emil half seiner Mutter immer bei der Arbeit: in der Küche machte er das Wasser heiß für die Kopfwäsche und brachte es ins Schlafzimmer, wo seine Mutter ihre Arbeit erledigte (vgl. Erich Kästner und seine Mutter!).

 

Schon im ersten Kapitel des Romans gibt uns Erich Kästner wichtige Informationen über seine Hauptfigur Emil und seine Mutter. Dadurch gibt er uns auch einen wichtigen Aufschluss über die Mutter-Kind-Beziehung in diesem Kinderroman. Dazu schrieb Kästner:

 

„Emil hatte keinen Vater mehr. Doch seine Mutter hatte zu tun, frisierte in ihrer Stube, wusch blonde Köpfe und braune Köpfe und arbeitete, damit sie zu essen hatten und die Gasrechnung, die Kohlen, die Miete, die Kleidung, die Bücher und das Schulgeld bezahlen konnten. Nur manchmal war sie krank und lag zu Bett [...] Und Emil kochte in der Küche für sie und sich. Und wenn sie schlief, fischte er sogar die Fußböden, damit sie nicht sagen sollte: »Ich muss aufstehen. Die Wohnung verkommt ganz und gar.« Könnt ihr es begreifen und werdet ihr nicht lachen, wenn ich euch jetzt erzähle, dass Emil ein Musterknabe war? Seht, er hatte seine Mutter sehr lieb. [...] Sie arbeitete, rechnete und arbeitete [...] Er sah, wie sie sich bemühte ...“[10]

 

Weiter charakterisiert Kästner den kleinen Jungen Emil, wenn er sagt:

 

„Emil war ein Musterknabe, aber keiner von der Sorte, die feig ist und nicht richtig jung. Er war ein Musterknabe, weil er es sein wollte. Er hatte sich dazu entschlossen, und oft fiel es ihm recht schwer. Wenn er aber zu Ostern nach Hause kam und sagen konnte: »Mutter, ich bin wieder der Beste!« dann war er sehr zufrieden. Er liebte das Lob, das er in der Schule und überall erhielt, weil es seiner Mutter Freude machte.“[11]

 

Wenn man die Kindheit Erich Kästners, seine tiefe Beziehung zu seiner Mutter und die einfachen Lebensumstände seiner Familie in Betracht zieht, dann wird man hier feststellen, dass der kleine Junge Emil Tischbein kein anderer ist als der Junge Erich Kästner selbst. Kästner erzählt hier also den Lesern – insbesondere den Kindern – die Geschichte des kleinen Jungen Emil, die zum größten Teil aus seiner eigenen Erlebniswelt stammt: Beide sind in einer armen Familie geboren, beide haben den Vater früh verloren; die Mutter von den beiden arbeitete als Friseurin, um ihrem einzigen Sohn eine Schulbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus hatten beide Kinder, also Emil Tischbein und Erich Kästner, eine tiefe und musterhafte Beziehung zu der Mutter, die zwischen allen Kindern und Müttern herrschen sollte. Übrigens soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass nicht nur die Romanfigur Emil das eigene Leben des Schriftstellers darstellt, sondern auch die meisten Hauptfiguren seiner Werke. Dazu schrieb A. Kalmer in seinem Artikel Erich Kästner zum 100. Geburtstag, der 1999 im Internet veröffentlicht wurde:

 

„Fast alle Romane Kästners enthalten biographische Elemente. So sind Fabian, Emil und Anton Teile von ihm; er [Kästner] hat den »kleinen Grenzverkehr« selbst praktiziert und hat in der Kinderkaserne gelebt, wie die Jungen im »Fliegenden Klassenzimmer«. Seine Erzählung »Als ich ein kleiner Junge war« ist autobiographisch und gibt Aufschluss über die Verhältnisse vor dem ersten Weltkrieg.“[12]

 

Wegen der einfachen wirtschaftlichen Lage der Familie war neben den anderen Kosten das Schulgeld eine starke finanzielle Belastung für Emils Mutter. Trotzdem beschloss sie, dass ihr Sohn das Leben einmal besser haben sollte. Dementsprechend setzte sie alles daran (u.a. holte sie z.B. Untermieter in die Wohnung), ihrem fleißigen Sohn eine gute Schul- und Lebensausbildung zu ermöglichen. Als Zeichen der Verantwortungsgefühls und als sozusagen ein kleines „Dankeschön“ gegenüber seiner Mutter versuchte Emil immer, unter den anderen Mitschülern die besten Noten zu bekommen und ein wahrer „Musterknabe“ zu sein, und er konnte es schaffen.

 

Emil Tischbein lebt also mit seiner Mutter in einer kleinen Stadt. Er hat aber Verwandte in Berlin: seine Großmutter, seine Tante und seinen Onkel, also die Mutter, die Schwester und den Bruder seiner Mutter. Nun hat Emil schon die Schulferien. Er möchte deshalb nach Berlin fahren, um seine Großmutter und seine anderen Verwandten zu besuchen und mit ihnen dort die Ferien zu verbringen. Seine Mutter kann jedoch nicht mitfahren, da sie zum einen – insbesondere vor den Feiertagen – viel zu tun hat, zum anderen meint sie, ihr Sohn Emil sei groß genug und könnte sich deshalb auf sich selbst verlassen, und zum dritten wird ihn seine Großmutter am Bahnhof in Berlin abholen. Emils Mutter gab ihrem Sohn hundertvierzig Mark; hundertzwanzig Mark davon sollte er seiner Großmutter weitergeben. Auch Emils Mutter hat eine gute und enge Beziehung zu ihrer Mutter. Deshalb schickte sie ihr ab und zu Geld nach Berlin. Die musterhafte Mutter-Kind-Beziehung ist hier also ein bezeichnender Charakter für die ganze Familie. Das lässt sich wohl auch im weiteren Verlauf des Romans bestätigen. 

 

Wie sieht übrigens die Zugfahrt nach Berlin aus? Was geschah dem Realschüler Emil während dieser Fahrt? All das möchte ich im folgenden behandeln, um dadurch das höfliche Verhalten Emils gegenüber den anderen Leuten darzustellen und demnach die Mutter-Kind-Beziehung weiter hervorzuheben, denn letzten Endes ist dieses höfliche Verhalten auf die gute und richtige Erziehung dieses Kindes zurückzuführen.

 

Zunächst möchte ich aber gerne über die wenigen Stunden vor der Abfahrt sprechen, in denen die Mutter ihren Sohn Emil auf die Reise vorbereitet. Hier gibt sie ihm wertvolle Ratschläge, welche die große Fürsorge und die große Liebe der Mutter gegenüber ihrem Sohn zeigen:

 

„»Na, nun mach aber, dass du fertig wirst«, drängte die Mutter. »Deinen guten Anzug hab’ ich im Schlafzimmer zurecht gelegt. Zieh ihn an, damit wir dann sofort essen können [...] Und zieh die Strümpfe vorsichtig an. Und wasch dich erst gründlich. Und zieh dir neue Schnürsenkel in die Schuhe.«“[13]

 

 Mit diesen Worten fing Emils Mutter an, ihren Sohn auf seine Zugfahrt nach Berlin vorzubereiten, nachdem sie seinen Koffer gepackt und die Blumen für seine Tante in Berlin, also ihre Schwester, eingewickelt hatte. Emils Mutter kaufte ihrem Sohn – obwohl sie nicht so viel Geld hatte – einen guten Anzug für die Reise. Emil ist jedoch nicht ganz zufrieden mit diesem Anzug. Seine Mutter merkte das schon. Deshalb wollte sie ihn beruhigen: sie legte den Arm um seine Schulter und sagte zu ihm, er sollte zufrieden sein, auch wenn er es manchmal schwer hat, denn andere Kinder sind traurig, weil sie überhaupt keinen Anzug haben, und so hat jeder seine Sorgen. Hier scheint mir Emils Mutter ihren Sohn die Bescheidenheit und die Genügsamkeit zu lehren. Und so gibt uns Erich Kästner durch diese Szene einen weiteren Aufschluss über die besondere Beziehung dieser Mutter ihrem Sohn gegenüber. 

 

Nun sind Emil und seine Mutter fertig mit dem Essen. Bald geht es los nach Berlin. Emil fährt übrigens zum ersten Mal nach Berlin, darüber hinaus fährt er alleine. Aus diesem Grund hat seine Mutter jetzt große Sorgen um ihn. Demzufolge will sie ihn nun (kurz vor der Abfahrt) darauf hinweisen, was er tun und wie er sich gegenüber den anderen Leuten, also den Mitreisenden im Zug und den Verwandten in Berlin, benehmen sollte. Sie gibt ihm sozusagen Reisetips, die er während der Fahrt und auch in Berlin durchzuführen hat:

 

-          Tip Nr. 1: »Und schreib sofort eine Karte. Ich habe sie dir zurechtgelegt. Im Koffer, gleich obenauf.«

 

-          Tip Nr. 2: »Grüß sie alle schön von mir. Und pass gut auf. In Berlin geht es anders zu als bei uns in Neustadt. Und am Sonntag gehst du mit Onkel Robert ins Kaiser-Friedrich-Museum. Und benimm dich anständig.«

 

-          Tip Nr. 3: »… Außerdem ist es immer gut, wenn man ein paar Mark in der Tasche hat.«

 

-          Tip Nr. 4: »Und erzähle keinem Menschen im Kupee*, dass du so viel Geld bei dir hast!«   

 

-          Tip Nr. 5: »Lass nichts liegen, mein Junge! Und setzt (!) dich nicht auf den Blumenstrauß! Und den Koffer lässt du dir von jemandem ins Gepäcknetz heben. Sei aber höflich und bitte erst darum!«

 

-          Tip Nr. 6: »Na schön. Du kommst um 18.17 Uhr in Berlin an. Am Bahnhof Friedrichstraße. Steige ja nicht vorher aus, etwa am Bahnhof Zoo!«

 

-          Tip Nr. 7: »Und sei zu den anderen Leuten nicht so frech, wie zu deiner Mutter. Und wirf das Papier nicht auf den Fußboden, wenn du deine Wurstbrote isst. Und – verliere das Geld nicht!«[14]

 

Da Emil ein wahrer Musterknabe ist und da er seine Mutter sehr lieb hat, hört er ihr aufmerksam zu und tut alles, was sie von ihm verlangt. So reagiert er auf die Ratschläge und Anweisungen seiner Mutter stets mit: »Wird gemacht«, »Mein großes Ehrenwort«, »Nur keine Bange, junge Frau« u.ä. Zwischen Emil und seiner Mutter herrscht eigentlich eine besondere und vorbildliche Beziehung, von der die Kinder (sogar auch die Erwachsenen) vieles lernen können. Gerade diese sinnvolle und lehrhafte Botschaft wollte Erich Kästner in diesem Kinderroman betonen. Durch ein konkretes Beispiel, nämlich die Beziehung zwischen Emil und seiner Mutter, beteuert dieser Schriftsteller wohl den Wert der Liebe innerhalb der Familie. Und somit gilt Kästner meines Erachtens als Schriftsteller und Erzieher zugleich.

 

Nun geht die Reise nach Berlin los. Emils Mutter verabschiedete sich weinend von ihrem Sohn; sie winkte ihm lange mit dem Taschentuch. Als Emil ins Kupee (also ins Zugabteil) hineinkam, nahm er sofort seine Schülermütze ab und sagte: »Guten Tag, meine Herrschaften. Ist vielleicht noch ein Plätzchen frei?« So verhielt er sich vom ersten Augenblick mit vollem Respekt gegenüber den anderen Leuten, genauso wie es seine Mutter von ihm verlangte. Damit beweist Emil seine Höflichkeit und seine richtige Erziehung durch die Mutter. Diese Höflichkeit bestätigte eben eine mitreisende Dame, die auch im selben Kupee saß. Sie sagte nämlich zu ihrem Nachbarn, einem Mann: »Solche höflichen Kinder sind heutzutage selten.« Ein paar Minuten später nahm Emil auch seine Mütze ab und verbeugte sich sogar, als ihm ein Herr im Kupee eine Ecke Schokolade gab.[15]

 

Eine Szene aus dem vierten Kapitel des Romans sollte uns weiter die tiefe Beziehung zwischen Emil und seiner Mutter zeigen. Nachdem Emil die Schokolade gegessen hatte, fing er an, einzuschlafen. Während des Schlafes hatte er einen schrecklichen Traum. Er sah in diesem Traum, dass der Polizeiwachtmeister von Neustadt, also der Wachtmeister Jeschke, die ganze Zeit wie verrückt hinter ihm hersaust, um ihn zu verhaften und dann ins Gefängnis zu führen. Emil hatte deshalb grässliche Angst. In diesem kritischen Moment sah er plötzlich seine liebe Mutter; sie konnte ihn von den Händen des Polizeiwachtmeisters retten, und so konnte ihm nichts passieren. Emil freute sich sehr, so dass er ein schönes Lied pfiff. Dann wachte er auf.

 

Diese Szene ist zwar ein Traum, sie zeigt uns aber, dass man in den kritischen Situationen erst an die Person denkt, die man am meisten liebt. So ist dem Jungen Emil in diesem schrecklichen Traum passiert. Als er eben in einen Notzustand geriet, war die Mutter für ihn sofort da. Durch diese Szene würde Kästner meines Erachtens sagen: Emils Mutter ist für ihren Sohn immer da, sie liebt ihn sehr, sie schützt ihn immer, sowohl wenn er wach ist als auch im Traum. Und somit gibt uns Kästner noch einen wichtigen Aufschluss über die tiefe Mutter-Kind-Beziehung in seinem Roman, der – wie bereits erwähnt – mit seinem eigenen Leben direkt zusammenhängt.

 

Und nun geht die Fahrt nach Berlin weiter. Als Emil von seinem Schlaf aufwachte, war der Herr, der ihm Schokolade gab, fort. Emil fand seine Tasche leer! Das Geld, also die hundertvierzig Mark, war fort! Der Herr, der in der Tat ein großer und gefährlicher Dieb ist, gab dem Jungen Emil eine wohl mit einem Schlafmittel gemischte Schokolade, dann hat er ihm die hundertvierzig Mark bestohlen, wie schon bereits erwähnt wurde.

 

Emil hat wohl ein großes Verantwortungsgefühl. Als erste Reaktion weinte er wegen des Geldes. In der Tat weinte er wegen seiner Mutter, denn er wusste schon, wie sie eben monatelang hart gearbeitet hatte, um diese hundertvierzig Mark für die Großmutter zu sparen und um ihn nach Berlin schicken zu können. Emil versteht das alles sehr gut, obwohl er noch ein Kind ist. Er versteht schon, dass seine Mutter immer verdienen muss, also für das Leben und darüber hinaus noch für die Schulausbildung ihres Sohnes. Emil ist somit sehr verantwortungsbewusst. Hier noch andere Beispiele für dieses Verantwortungsbewusstsein:[16]  

 

-          Wenn ihm seine Mutter z.B. für Schulausflüge genau soviel Geld gab, wie die anderen Mitschüler von ihren Eltern auch kriegten und manchmal sogar noch mehr, da brachte er ihr eben die Hälfte wieder mit, ohne dass sie es von ihm verlangte.

 

-          Wenn ihm seine Mutter erlaubte, am Abend mit seinen Freunden auszugehen, war er eben frühzeitig wieder zurück. Im 11. Kapitel des Romans berichtet Emil selbst darüber. Einem der Berliner Kinder, die ihm dabei freiwillig geholfen haben, den Dieb festzuhalten und die hundertvierzig Mark zurückzuhaben, erzählt Emil:

 

„Und wenn sie mir erlaubt, bis neun Uhr abends ’rauszugehen, bin ich gegen sieben wieder zurück. Weil ich nicht will, dass sie allein Abendbrot isst. Dabei verlangt sie, dass ich mit den andern bleiben soll. Aber das macht mir gar kein Vergnügen. Und sie freut sich ja doch, dass ich früh heimkomme.“

 

 Diese Beispiele bestätigen wiederum, dass Emil wie schon erwähnt ein wahrer Musterknabe ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne betonen, dass dieses große Verantwortungsgefühl Emils ohne Zweifel auf die richtige Erziehung durch seine Mutter zurückzuführen ist. Diese und ähnliche Beispiele bestätigen darüber hinaus die tiefe und wie gesagt vorbildliche Beziehung zwischen Emil und seiner Mutter.

 

 

Mit freiwilliger Hilfe von Berliner Kindern konnte Emil nach langer Verfolgung also den Dieb festhalten und dann seine hundertvierzig Mark zurückhaben. Die Polizei kam und stellte fest, dass dieser Mann, der dem Jungen Emil das Geld bestohlen hat, ein großer und sehr gefährlicher Dieb ist, und dass er – da er auch noch andere Diebstähle und Einbrüche innerhalb und außerhalb Berlin ausführte – schon lange gesucht wird. Dieser Räuber hat eine große Menge Geld gestohlen. Gegenüber der Polizei hat er nun schon alles eingestanden, und die Polizei hat das meiste gestohlene Geld wiedergefunden. Da Emil diesen Dieb gefangen hat, kriegt er nun eine Prämie, also eine Belohnung von »Tausend Mark«, welche die Bank ausgesetzt hat. Am nächsten Tag kam Emil sogar in die Zeitung. Als Emils Mutter die Zeitung las, war sie ganz stolz auf ihren Sohn und fuhr schnell nach Berlin, um mit ihm zusammen zu sein: es ist eben das natürliche Gefühl der Mutter ihrem Sohn gegenüber.

 

Als Emil die Belohnung bekam, dachte er auch als erstes an seine liebe Mutter. Er möchte ihr ein bisschen gerne vergelten, was sie für ihn immer tat, ohne müde zu werden. Deshalb kaufte er für sie einen elektrischen Trockenapparat und einen schönen Mantel, der innen mit Pelz gefüttert ist: es ist ebenfalls ein schönes Gefühl des Sohnes gegenüber seiner Mutter. Und somit geht der Roman zu Ende.

 

 

Aus dem vorliegenden Beitrag ergibt sich folgendes:

 

·       Erich Kästners Kinderroman Emil und die Detektive ist in der Tat eine realistische Kindergeschichte, in der die eigene Kindheit des Schriftstellers dargestellt worden ist. Selbst die Erinnerung an die eigene Kindheit mit ihrer Freude, ihrer Liebe und ihrer Phantasie trug also u.a. dazu bei, dass dieses Werk einen großen Erfolg  erlebt hat und noch erlebt. Diese Erinnerung verleiht dem Roman eben den Charakter der Wahrhaftigkeit (vgl. S. 3 f. der vorliegenden Untersuchung!).

 

·       Zum großen Erfolg dieses Kinderromans gehören auch die hervorragenden Ideen, die Erich Kästner hier dargestellt hat, wie z.B. die Ideen der Nächstenliebe, der Hilfsbereitschaft, der Gerechtigkeit, der Besonnenheit, der Aufrichtigkeit, der Ehrlichkeit u.a. All diese Ideen sind in diesem Kinderroman von der Hauptfigur Emil und von den anderen Kindern, also den Kameraden Emils, praktiziert worden (vgl. S. 4 der vorliegenden Untersuchung!).

 

·       Aus der Lektüre von anderen Werken Kästners lässt sich erkennen, dass nicht nur die Romanfigur Emil das eigene Leben des Schriftstellers darstellt, sondern auch die meisten Hauptfiguren seiner Werke, wie es A. Kalmer in seinem Artikel Erich Kästner zum 100. Geburtstag bereits zum Ausdruck gebracht hat: „Fast alle Romane Kästners enthalten biographische Elemente.“ (vgl. S. 7 der vorliegenden Untersuchung!).

 

·       Mit seinem Kinderroman Emil und die Detektive gibt Erich Kästner eine sinnvolle und lehrhafte Botschaft, und zwar durch die besondere und vorbildliche Beziehung zwischen Emil und seiner Mutter, von der sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen vieles lernen können, und somit scheint Kästner als Schriftsteller und Erzieher zugleich den großen Wert der Liebe innerhalb der Familie hervorzuheben (vgl. S. 10 der vorliegenden Untersuchung!).

 

·       Das Verantwortungsgefühl bei den Kindern wächst in der Tat vor allem durch die richtige Erziehung von den Eltern.  

 

 

     

 

 

 

 

 

Literaturverzeichnis

 

 

1         ÚÈÏ ÇáÊæÇÈ íæÓÝ: "Åãíá ÇáÕÛíÑ ÈæáíÓ ÓÑí ÎÇÕ ÌÏÇð". ÕÏÑÊ åÐå ÇáÊÑÌãÉ Úä ãßÊÈÉ ÇáÃÓÑÉ Öãä ÓáÓáÉ "ÑæÇÆÚ ÇáÃÏÈ ÇáÚÇáãí ááÃØÝÇá" ãåÑÌÇä ÇáÞÑÇÁÉ ááÌãíÚ – ÇáÞÇåÑÉ 2000.

 

2         Úáí ÍÓä: ÇáÞÏÑ æÇáÍÑíÉ. ËáÇËæä ÚãáÇ ãä ÇáÃÏÈ ÇáÃáãÇäí. ØÈÚÉ ÏÇÑ ÇáåáÇá– ÇáÞÇåÑÉ 2001.

 

3            Enderle, Luiselotte: Kästner. Eine Bildbiographie. Kindler Verlag, München 1960. 

 

4            Fischer, Klaus: E. Kästner – Biogramm. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur  - Das KLG auf CD-ROM. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold (edition text + kritik), München 1999. 

 

5                    Fischer, Klaus: Erich Kästner – Essay. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur  - Das KLG auf CD-ROM.

 

6             Görtz, Franz Josef und Sarkowicz, Hans: Erich Kästner. Eine Biographie. 4. Aufl. (1999), Piper Verlag, München 1998.

 

 

7            Kalmer, A.: Erich Kästner – zum 100. Geburtstag. 1999 im Internet veröffentlicht.

 

8            Kästner, Erich: Parole Emil. Romane für Kinder I. Hrsg. von Franz Josef Görtz. Hanser Verlag, München und Wien 1998.

 

9         van Rinsum, Annemarie und Wolfgang: Lexikon literarischer Gestalten. Deutschsprachige Literatur. 2. Aufl., Kröner Verlag, Stuttgart 1993.

 



[1]    Zu ausführlicheren und detaillierten Informationen über Erich Kästners Kindheit, siehe das Buch: Erich Kästner. Eine Biographie. Von Franz Josef Görtz und Hans Sarkowicz. 4. Aufl. (1999), Piper Verlag, München 1998, S. 7 – 26, sowie auch das Buch: Kästner. Eine Bildbiographie. Von Luiselotte Enderle. Kindler Verlag, München 1960, S. 12 ff.

[2] Siehe Klaus Fischer: Erich KästnerBiogramm. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur  - Das KLG auf CD-ROM. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold (edition text + kritik), München 1999, S. 1. 

[3]   Siehe dazu das 6. und das 11. Kapitel des Romans!

[4]  Vgl. dazu seine Romane Emil und die Detektive (1928) und Fabian (1931)!

[5]    ÊÑÌã åÐå ÇáÑæÇíÉ Åáì ÇáÚÑÈíÉ æÞÏã áåÇ ÚÈÏ ÇáÊæÇÈ íæÓÝ¡ ÊÍÊ ÚäæÇä: "Åãíá ÇáÕÛíÑ ÈæáíÓ ÓÑí ÎÇÕ ÌÏÇð". ÕÏÑÊ åÐå ÇáÊÑÌãÉ Úä ãßÊÈÉ ÇáÃÓÑÉ Öãä ÓáÓáÉ "ÑæÇÆÚ ÇáÃÏÈ ÇáÚÇáãí ááÃØÝÇá" ãåÑÌÇä ÇáÞÑÇÁÉ ááÌãíÚ – ÇáÞÇåÑÉ 2000.

[6]   Klaus Fischer: Erich Kästner Essay. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur  - Das KLG auf CD-ROM. Abschnitt 7, S. 5.

[7]  Siehe Annemarie und Wolfgang van Rinsum: Lexikon literarischer Gestalten. Deutschsprachige Literatur. 2. Aufl., Kröner Verlag, Stuttgart 1993, S. 116. Siehe dazu auch Erich Kästner: Parole Emil. Romane für Kinder I. Hrsg. von Franz Josef Görtz. Hanser Verlag, München und Wien 1998, S. 202 – 212. Unter dem Titel Zehn Bilder kommen jetzt zur Sprache bietet dieses Buch eine Serie von Bildern, die den ganzen Verlauf des Romans wiedergeben.

[8]   Siehe Klaus Fischer: Erich Kästner – Essay, Abschnitt 7, S. 5.

[9]   Ebenda. Loc. cit.

[10]   Emil und die Detektive. Erstes Kapitel, S. 12.

[11]   Ebenda. Loc. cit.

[12]   A. Kalmer: Erich Kästner – zum 100. Geburtstag. 1999 im Internet veröffentlicht.

[13]   Emil und die Detektive. Erstes Kapitel.

*   das Kupee: das Abteil im Zug

[14]   Aus verschiedenen Stellen im 1. u. 2. Kapitel des Romans Emil und die Detektive. 

[15]   Vgl. das 3. Kapitel des Romans! Übrigens ist der Herr, der Emil Schokolade gab, in der Tat ein großer und gefährlicher Dieb; während der Fahrt nach Berlin wird er Emil die hundertvierzig Mark stehlen. 

[16]   Siehe dazu das 11. Kapitel des Romans!