Der Andere ist auch ein Ich

Beitrag zur Förderung des kulturellen und religiösen Dialogs

 

von

 

Dr. Taha Ibrahim Ahmed Badri

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Schon längst sagte Ali ibn Abi-Talib, der Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed (s.) und der vierte Kalif des Islam: „Man haßt, was man nicht kennt.“[1] Auch Prof. Dr. Mohammed Ahmed Mansour, Leiter der Germanistikabteilung der Al-Azhar Universität, schrieb in seinem Vorwort zu dem von ihm ins Deutsche übersetzten Buch Warum Islam - Argumentationen aus den modernen Wissenschaften: „Wegen des ungenügenden Wissens über den Anderen sind die Beziehungen zwischen den Menschen auf der Erde immer geprägt durch Mißverstehen, Nicht-Verstehen-Können, aber nicht selten auch Nicht-Verstehen-Wollen!“[2]

 

Deshalb möchte ich hier in meinem Beitrag über das Wesen des Islam sprechen, und zwar als Glaube, Kultur bzw. als Religion der Toleranz. Dabei werde ich auch die Beziehung des Islam zu den anderen monotheistischen Religionen, insbesondere zum Christentum erörtern. Wird der Islam richtig verstanden, so sieht auch Prof. Dr. Mahmoud Zakzouk[3], der ägyptische Waqfminister und Präsident des Obersten Rates für Islamische Angelegenheiten an, dann ist er eine Anleitung zum Dialog, zum Kennenlernen der anderen Völker und zum Respekt vor ihren wertvollen Traditionen sowie schließlich zu einer aktiven Toleranz ihnen gegenüber. Selbst Gewalt kann durch den richtigen Glauben vermieden werden. Durch Kontakte und Kulturaustausch können wir die gegenseitigen Ängste und das gegenseitige Mißverstehen mildern oder ganz aus der Welt beseitigen, und somit wird der ernsthafte Dialog zu einem wunderbaren Mittel des Menschen zur Verständigung und Konfliktvermeidung.

 

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellt der Dialog im Verhältnis der Religionen und Kulturen zueinander eine wichtige Wende und somit eine neue Phase in den internationalen Beziehungen dar. Nach langem getrennten Nebeneinander von Anhängern der monotheistischen Religionen, das leider Gottes oft zu einem Gegeneinander führte, scheint uns nun die Zeit für das Miteinander reif zu sein. Gespräche und Begegnungen auf höchster Ebene finden statt. Darüber hinaus schenkt man sich heute gegenseitig Beachtung und Respekt. Warum nicht, solange wir - auch wenn es Unterschiede gibt - viele Gemeinsamkeiten haben. Diese Gemeinsamkeiten machen einen beträchtlichen Teil des monotheistischen Glaubensbekenntnisses aus und werden als das Glaubensgut angesehen, welches Judentum, Christentum und Islam mit dem gemeinsamen Stammvater des Glaubens Abraham, der sich Gott vollständig hingegeben hat, verbindet (auf diese Gemeinsamkeiten werde ich später ausführlicher eingehen).

 

Nun komme ich zu den drei Hauptpunkten meines Beitrages, nämlich: Islam als Glaube, als Kultur und drittens als Religion der Toleranz:

 

·                 Der Begriff Glaube spielt nach islamischem Verständnis - wie es auch im Christentum und Judentum der Fall ist - eine tragende Rolle in der Religion. Inhalt dieses Glaubens sind die von Gott geoffenbarten Glaubenswahrheiten. Eine authentische Überlieferung vom Propheten Mohammed (s.) berichtet, wie er vom Erzengel Gabriel über den Glauben befragt wurde:

 

Gabriel sagte zum Propheten: Unterrichte mich über den Glauben!

Der Prophet sagte: Daß du an Gott glaubst und an seine Engel, an seine Heiligen Bücher, an seine Gesandten und an den Jüngsten Tag; und daß du an die Vorherbestimmung des Guten und des Bösen glaubst.

Gabriel sagte: Du hast die Wahrheit gesagt.[4]

 

Da Worte und Handeln des Propheten Mohammed (s.) als normativ gelten, eben weil ihm alles von Gott geoffenbart wurde, wurden sie auf verbindliche religiöse und rechtliche Folgen hin ausgewertet. Den Muslimen in der ganzen Welt gilt der Glaube somit für den Kernpunkt, auf den sich alles andere immer wieder zurückbezieht. Islam ist keine neue Religion, sondern die gleiche Wahrheit, die der Barmherzige Gott allen Völkern durch Seine Propheten geoffenbart hat. In diesem Zusammenhang scheint es mir wichtig zu erwähnen, daß Hauptprinzipien der christlichen Lehre z.B. sind auch der Glaube an Gott, der Glaube an das Gericht am Jüngsten Tag, der Glaube an alle Engel, an alle Heiligen und Propheten vor Jesus, sowie auch der Glaube an das, was in den Heiligen Büchern steht. Diese Beschreibung trifft mehr oder weniger auch den Judentum zu und gerade das bestätigt meines Erachtens die oben genannte Tatsache, daß wir Anhänger monotheistischer Religionen viele Gemeinsamkeiten haben. Das alles bietet uns die Möglichkeit und sogar auch die Förderung, miteinander einen fruchtbaren Dialog zu führen und einander kennenzulernen.

 

Der Koran betont an verschiedenen Stellen diese Gemeinsamkeiten. Er enthält eine Anzahl von Glaubensaussagen, die mit denen der Juden und Christen übereinstimmen. So bekennen alle, daß es nur einen Gott gibt, für den im arabischen Sprachraum sowohl Muslime als auch Juden und Christen das Wort Allah gebrauchen. Darüber hinaus sind sich alle darin einig, daß dieser Gott die Welt erschaffen hat und durch Sein Walten leitet. Alle glauben an die Existenz der Engel und des Bösen u.a.m.

 

Auch die Überlieferung des Propheten Mohammed (s.) betont den gemeinsamen Glauben. Er sagt:

 

„Alle Propheten sind Brüder; ihre Mütter sind verschieden, ihr Glaube ist doch einer.“[5]

 

Im Hinweis auf  die Beziehung des Islam zum Christentum sagt er in einem anderen Hadith:

 

„Wer glaubt, daß es keine Gottheit neben Gott, allein und ohne Partner, gibt, Mohammed sein Gesandter und Jesus Diener und Gesandter Gottes ist, sein Wort eingehaucht in Maria und ein Geist aus ihm kommend und daß Paradies und Hölle wahr sind, wird von Gott im Himmel empfangen werden.“[6]

 

Auch die Muslime in der ganzen Welt achten und verehren Jesus (s.) und erwarten seine zweite Niederkunft. Sie halten ihn für einen der größten Gottesgesandten an die Menschheit. Ein Muslim bezeichnet ihn nie nur als Jesus, sondern fügt immer den Ausdruck Friede sei mit ihm hinzu. Darüber hinaus bestätigt der Koran seine Jungfrauengeburt in einer mit Mariam, also Maria überschriebenen Sure. Maria selbst wird als die reinste Frau  in der gesamten Schöpfung betrachtet. Das sind alles also wichtige Belege für die Verwandtschaft aller drei Monotheistischen Religionen im allgemeinen und Islam und Christentum im besonderen. 

 

Selbst der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hat am 31. Oktober 1974 in Genf gemeinsame historische Wurzeln mit dem Islam feststellen können.[7] Diese Wurzeln lassen sich zu einer langen Liste aufsummieren: gemeinsame Geschöpflichkeit von und unter Gott, gemeinsame Verantwortlichkeit vor Gottes Gericht, der Mensch als Stellvertreter und Knecht Gottes, der Kampf um eine gerechtere, bessere Welt sowie der Kampf um die Jugend in beiden Religionen, Gott als Eigentümer der Erde. Beide Religionen haben z.B. in einer Verfolgungssituation begonnen und können gemeinsam versichern, daß Gottes Wille nicht erfüllt wird, wenn Menschen flüchten müssen. Beide rufen zur Nächstenliebe auf, kennen die gleiche Würde aller Menschen und die Fürsorgepflicht der Starken für die Schwachen. Soweit zum ersten Punkt Islam als Glaube. Nun komme ich zum zweiten Punkt meines Beitrages, nämlich: 

 

·                 Islam als Kultur: Die Kulturwissenschaftler sagen: „Ohne Kultur ist das menschliche Leben nicht vorstellbar.“ Oder mit anderen Worten: „Die Kultur ist ein Teil des Menschen.“ Gerade diese Auffassung ist für meinen Beitrag von großer Bedeutung. Da der Mensch im Islam das Zentrum der Beschäftigung darstellt, ist die Kultur deshalb ein wichtiger Teil der islamischen Religion, d.h. die islamische Kultur beruht auf dem Koran und der Sunna als der Grundlage der islamischen Religion. Jede Kultur muß eine Grundlage haben, und zwar eine Grundlage, die ihre Gültigkeit auf die Dauer bestätigen kann. Eben: was keine Grundlage hat, bricht zusammen und geht zugrunde.

 

Aus islamischer Sicht hilft die Religion dem Menschen dabei, ein gelungenes Leben führen zu können. Aus dieser Perspektive ist die Verbindung von Religion und Kultur sehr eng: wer von Religion nichts versteht, kann also die geschichtliche und kulturelle Gestalt unserer Welt nicht begreifen. Andererseits sollte die Kultur sowohl Geist und Sinnen des Menschen Freude gewähren, als auch diesen Menschen selbst zu einer höheren Verpflichtung gegenüber der Wahrheit von Gottes Existenz führen.

 

Im Westen stellt man sich vielleicht die Frage: Warum breitete sich der Islam in verschiedenen großen Teilen der Welt so schnell aus? Der wichtigste Grund für die schnelle und friedliche Ausbreitung des Islam war meines Erachtens einerseits die Schlichtheit seiner Lehren: der Islam ruft auf zum Glauben an den einen und einzigen anbetungswürdigen Gott, wie ich bereits erklärt habe, und andererseits fordert den Menschen immer wieder auf, seine Verstandeskraft und Beobachtungsgabe zu gebrauchen. So entstanden in wenigen Jahren große Zivilisationen, Universitäten blühten auf, denn entsprechend den Lehren des Propheten Mohammed (s.) ist der Erwerb von Wissen eine Pflicht für jeden Muslim, Mann wie Frau. In anderen Überlieferungen heißt es z.B. auch „Wer nach Wissen strebt, betet Gott an“, „Suche Wissen von der Wiege bis zum Grabe“, „Das Studium der Wissenschaft hat den Wert des Fastens, die Lehre der Wissenschaft den Wert eines Gebets“, „Suche Wissen, auch wenn es aus China kommt“ und sogar auch „Die Tinte des Gelehrten ist heiliger als das Blut eines Märtyrers.“ Nach islamischem Verständnis kommt alle Weisheit von Gott und weist zu ihm zurück. Deshalb soll der Muslim die Weisheit erwerben, aus welcher Quelle sie auch stammen mag.

 

Unter „Religion und Zivilisation“ bestätigt auch Richard Hartmann in seinem Buch Die Religion des Islam diese Verbindung von Religion und Kultur. Er sagt:

 

„Man hat zu Recht darauf hingewiesen, daß wir unter Islam nicht nur eine Religion im eigentlichen engeren Sinn verstehen, sondern auch eine bestimmte Zivilisation. Man redet von einer islamischen Zivilisation, die der christlichen Zivilisation des mittelalterlichen Abendlandes entspricht, nur daß sie über das Mittelalter hinaus bis in die unmittelbare Gegenwart hineinreicht. Sie ist wie ihre abendländische Entsprechung durchaus übernational, wenn sie auch vornehmlich im Gewand der arabischen Sprache auftritt. Und sie ist ebenso religiös bestimmt.“[8]

 

 

Auch im Bereich der Kultur - wie vorher im Bereich des Glaubens - gibt es viele Berührungspunkte, also viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Islam und dem Christentum. Im Neuen Testament wie im Koran - so meinte Pfarrerin Jutta Sperber in ihrem Buch Dialog mit dem Islam[9]- wird zum Lehren (als einem wichtigen Teil der Kultur) aufgefordert. Umgekehrt sind ethische Werte ein sehr wichtiger Beitrag beider Religionen zur Kultur. Nur ein Atheist kann Religion und Kultur für Gegensätze halten. Sperber meinte weiter:

 

„Die ersten mittelalterlichen Schulen in Europa wurden von der christlichen Kirche eingerichtet, die für lange Zeit Schulträger blieb. Auch in der christlichen Mission ging die Eröffnung einer Schule meist der Errichtung einer Kirche voraus.“[10]

 

 

Es ist hier bemerkenswert zu erwähnen, daß der Islam für lange Zeit (zum Teil auch heute noch) einen wichtigen Teil Europas darstellte: zuerst in Spanien und dann im Balkan. Somit konnte der Islam zur Entwicklung der europäischen Kultur beitragen und ist infolgedessen ein wichtiger Teil Europas geworden: sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Den vielseitigen Einfluß der arabisch-islamischen Kultur auf Europa kann man heute nicht verkennen.

Diese Berührungspunkte zwischen der arabisch-islamischen Kultur und christlich-europäischen Kultur sollte für uns ein wichtiger Anlaß sein für gegenseitiges Kennenlernen und gegenseitiges Verständnis.[11] Unsere Kulturen sollten uns miteinander verbinden und nicht voneinander trennen. Im Koran spricht Gott zu allen Menschen:

 

„Wir haben euch zu Völkern und Sippen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ [12]

 

Und nun komme ich zum dritten und zugleich letzten Punkt meines Beitrages, also

 

·                 Der Islam als Religion der Toleranz: Dieses Thema ist eigentlich sehr umfangreich; darüber könnte man sogar Bücher verfassen. Hier möchte ich mich aber nur mit den wichtigsten Beispielen begnügen, in denen sich die Toleranz des Islam in großartiger Weise darstellt.

 

Der Islam ist in der Tat eine Weltreligion und wendet sich mit seiner Botschaft an die gesamte Menschheit. Die Aufforderung zu einer universalen Toleranz gehört u.a. auch zu dieser Botschaft. Und somit zeigt sich der Islam als Inbegriff von menschlicher Freiheit und religiöser Toleranz, denn nach der göttlichen Offenbarung „Es gibt keinen Zwang in der Religion.“[13], wie es ausdrücklich in der zweiten Sure des Koran  steht. Vielleicht würde hier ein Nicht-Muslim die Frage stellen: Toleriert der Islam wirklich andere Religionen? Die Antwort: Ja. Im Koran spricht Gott zu allen Muslimen:

 

„Gott verbietet euch nicht inbezug auf jene, die euch nicht wegen eures Glaubens bekämpfen oder euch aus euren Häusern vertreiben, sie freundlich und gerecht zu behandeln; denn Gott liebt die, die gerecht handeln.“[14]

 

 

Der Islam stellt Juden und Christen z.B. als Menschen seinen eigenen Anhängern, also den Muslimen, vollkommen gleich, da alle die Geschöpfe ein und desselben Gottes sind. Er betont immer, wie es im Koran und in der Überlieferung des Propheten Mohammed (s.) zu lesen ist, daß alle Menschen geschaffen sind, um Gott zu dienen und einander kennenzulernen. Aus dieser Perspektive betrachtet der Islam Juden und Christen als Genossen der Muslime. Die Anerkennung des Judentums, des Christentums als Religionen Gottes sowie auch die Anerkennung aller Propheten  und Heiligen Schriften ist im Koran verankert. In der zweiten Sure heißt es:

 

„Sagt: Wir glauben an Allah und (an das), was (als Offenbarung) zu uns, und was zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen (Israels) herabgesandt worden ist, und was Moses und Jesus und die Propheten von ihrem Herrn erhalten haben, ohne daß wir bei einem von ihnen (den anderen gegenüber) einen Unterschied machen. Ihm sind wir ergeben.“[15]

 

 

Ich möchte aber über die Toleranz des Islam nicht nur theoretisch sprechen, sondern auch praktisch. Es gibt in der Geschichte des Islam viele praktische Beispiele für die Toleranz der Muslime gegenüber anderen Religionen:

 

-          Im fünften Jahr des Islamischen Kalenders (also 630 n. Chr. ) verließ der Prophet Mohammed (s.) Medina mit zehntausend Mann. Sie gingen alle Richtung Mekka, um sie einzunehmen. Der Prophet (s.) wünschte keinerlei Blutvergießen. Er wies seine Männer also an Blutvergießen zu vermeiden, wenn sie nicht angegriffen würden, um eine friedvolle Einnahme Mekkas sicherzustellen. Da er ein Prophet absoluter Barmherzigkeit ist und gekommen war, um die Glückseligkeit der Menschheit sicherzustellen, ließ er nicht das geringste Anzeichen von Eigenstolz oder eines Gedankens an Rache oder Vergeltung erkennen. Er bewegte sich auf die Ka´ba in äußerster Bescheidenheit und vollkommener Dankbarkeit gegenüber Gott, Der ihn nach so vielen Jahren der Entbehrungen, Folterungen und Verfolgungen bei seiner geheiligten Aufgabe siegreich hatte sein lassen. An der Ka´ba hielt er an und fragte jene Mekkaner, die sich dort versammelt hatten: „Was erwartet ihr von mir, wie ich euch behandeln werde?“ Sie antworteten: „Du bist ein edler Mann und der Sohn eines edlen Mannes.“ Der Prophet (s.) sagte zu ihnen: „An diesem Tag soll euch kein Vorwurf treffen. Allah wird euch vergeben; Er ist der Barmherzigste der Barmherzigen. Ihr könnt gehen!“[16] Fast alle Mekkaner, die noch einen Tag zuvor Feinde des Islam gewesen waren, erwarben sich somit die Ehre, nun die Gefährten des Propheten (s.) zu werden.

 

-          Ein Jahr später, also 631 n. Chr., kam eine Abordnung arabischer Christen aus Nagran in Südarabien nach Medina, um ihr Schicksal im Lichte der islamischen Entwicklungen auf der Halbinsel zu erörtern. Der Prophet Mohammed (s.) empfing sie persönlich, gewährte ihnen bei sich Quartier, stellte den Islam vor und rief sie auf, den Glauben anzunehmen. Manche taten das. Andere traten nicht bei. Der Prophet (s.) erkannte ihre Entscheidungen an, setzte sie wie die Juden in Medina als eine eigene Gemeinschaft ein, die Bestandteil und Teilstück des Islamischen Staates bildet und dennoch frei und selbständig in ihrer Religion, Kultur und ihren Gesetzen ist. Das waren also Beispiele für die Toleranz des Propheten Mohammed (s.). 

 

-          Ein anderes Beispiel für die Toleranz der Muslime gegenüber anderen Religionen läßt sich aus dem Leben des zweiten Kalifen Omar ibn Al-Khattab erkennen. Als er im Jahre 634 n. Chr. die Stadt Jerusalem von den Byzantinern für den Islam einnahm, bestand er darauf, sie nur mit einer kleinen Zahl seiner Begleiter zu betreten. Dabei gewährte er allen Religionsgemeinschaften in der Stadt, also Juden und Christen, freie Religionsausübung. Nachdem er den Einwohnern die Unversehrtheit ihres Lebens und Besitzes garantierte und ihnen außerdem ihre Gebetsstätten niemals genommen würden, bat er den christlichen Patriarchen Sophronius darum, ihn bei seinem Besuch aller heiligen Stätten zu begleiten. Der Patriarch lud ihn zum Gebet in der Grabeskirche ein, jedoch zog es der Kalif vor, außerhalb ihrer Tore zu beten. Er sagte, daß eine Annahme der Einladung durch ihn dazu führen könnte, daß spätere Generationen der Muslime dies zum Vorwand nehmen könnten, die Kirche in eine Moschee umzuwandeln.[17] Es ist also eine Funktion des islamischen Gesetzes, die Privilegien von anderen Gemeinschaften zu schützen. Und das ist auch der Grund, warum es überall in der islamischen Welt nicht-islamische Gebetsstätten gibt.

 

-          Noch ein Beispiel aus dem Leben des Kalifen Omar bestätigt die Toleranz des Islam gegenüber anderen Religionen. Er sah eines Tages einen alten Mann auf der Straße betteln. Er erkundigte sich über diesen Mann und erfuhr, daß dieser alte Mann ein Jude sei. „In unserem islamischen Staat dürfte so etwas nicht passieren“, sagte der Kalif Omar und ließ diesem alten Juden vom Staat eine Pension geben, womit er den Rest seines Lebens verbringen könnte.[18]

 

 

 

 

 

Zum Schluß:

 

Die Grundprinzipien der islamischen Religion gewähren den Menschen, ja allen Menschen - egal welcher Religion oder Kultur sie angehören, egal aus welchem Land sie stammen - die Gerechtigkeit, die Barmherzigkeit und die Toleranz. Der Islam gibt allen Menschen das Recht, ihre Religion in totaler Freiheit auszuüben. Er lehrt uns, wie wir uns gegenseitig respektieren und tolerieren, wie wir miteinander leben und einander verstehen können. Wir leben alle in einer Welt: erste, zweite oder dritte Welt gibt es nicht mehr, das ist schon eine veraltete Sicht. Die Zukunft kennt nur eine Welt, in der wir alle im selben Boot sitzen werden. Deshalb sollten wir unsere Probleme gemeinsam lösen. Für die erhoffte Lösung unserer heutigen gemeinsamen Probleme bleibt nur der ernsthafte Dialog eine große Chance. Insbesondere für Christen und Muslime geht es heute darum, im Gespräch mit dem anderen diesen und sich besser kennenzulernen, denn letzten Endes ist der Andere auch ein Ich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literaturverzeichnis

 

 

1          Der Koran. Deutsche Übersetzung von Rudi Paret auf CD-ROM.

 

2                    Deutsche Muslim-Liga e. V. (Hrsg.): Islam und Muslime. Informationen zum Verständnis einer Weltreligion. Hamburg 1993.

 

3            Haroun, Nabil Abdel-Salam: Warum Islam? - Argumentationen aus den modernen Wissenschaften. Ins Deutsche übersetzt von Prof. Dr. Mohammed Ahmed Mansour. 1. Aufl., Verlag der Universitäten - Ägypten, Kairo 1998.

 

4          Hartmann, Richard: Die Religion des Islam. Eine Einführung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. S. Toeche-Mittler Verlag, Darmstadt 1992.

 

5            Hofmann, Murad: Der Islam als Alternative. 2. Aufl., Eugen Dieterichs Verlag, München 1993.

 

6             Ibn Ishaq: Das Leben des Propheten. Aus dem Arabischen übertragen  und bearbeitet von Gernot Rotter. Spohr Verlag 1999.

 

7            Khoury, Adel Theodor: So sprach der Prophet. Worte aus der islamischen Überlieferung. Gütersloh 1988, S. 50. Zitiert nach Sperber, Jutta: Dialog mit dem Islam. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999 (KLEINE REIHE V & R 4015).

 

8                    Mansour, Mohammed Ahmed: Gedanken über islamische Fragen. Druck und Bindearbeit: Salih-Kamil-Zentrum für Islamische Wirtschaft. Al-Azhar Universität, Kairo 1999.

 

9                    Mansour, Mohammed Ahmed: Islamische Texte. Muhammad und diejenigen mit ihm. Dar Al-Kamal-Verlag, Kairo 2002.                          

10         Sahih al-Buchari. Taten und Aussprüche des Propheten Mohammed.

 

11            Sperber, Jutta: Dialog mit dem Islam. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999 (KLEINE REIHE V & R 4015).

 

12            Zakzouk, Mahmoud: Einführung in den Islam. Al-Ahram Commercial Presses, Kairo 2000.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1]                Hofmann, Murad: Der Islam als Alternative. 2. Aufl., Eugen Dieterichs Verlag, München 1993, S. 9.

 

[2]             Haroun, Nabil Abdel-Salam: Warum Islam? - Argumentationen aus den modernen Wissenschaften. Ins Deutsche übersetzt von Prof. Dr. Mohammed Ahmed Mansour. 1. Aufl., Verlag der Universitäten - Ägypten, Kairo 1998, S. 7.

 

[3]             Siehe Zakzouk, Mahmoud: Einführung in den Islam. Al-Ahram Commercial Presses, Kairo 2000, S. 7.

 

[4]             Khoury, Adel Theodor: So sprach der Prophet. Worte aus der islamischen Überlieferung. Gütersloh 1988, S. 50. Zitiert nach Sperber, Jutta: Dialog mit dem Islam. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999 (KLEINE REIHE V & R 4015), S. 8.

 

[5]             Hadith bei Buchari, Hadith Nr. 3187.

 

[6]             Hadith bei Buchari, Hadith Nr. 3180. Siehe dazu: Islam und Muslime. Informationen zum Verständnis einer Weltreligion. Hrsg. von: Deutsche Muslim-Liga e. V., Hamburg 1993, S. 21.

 

[7]             Vgl. dazu Sperber: Dialog mit dem Islam. S. 36.

 

[8]                Hartmann, Richard: Die Religion des Islam. Eine Einführung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. S. Toeche-Mittler Verlag, Darmstadt 1992, S. 173.

 

[9]             S. 76.

 

[10]             Loc. cit.

 

[11]             Vgl. dazu Mansour, Mohammed Ahmed: Gedanken über islamische Fragen. Druck und Bindearbeit: Salih-Kamil-Zentrum für Islamische Wirtschaft. Al-Azhar Universität, Kairo 1999, S. 8 – 16. 

                       

[12]             Koran (Sure 49: 13).  

 

[13]             Koran (Sure 2: 256).

 

[14]             Koran (Sure 60: 8).

 

[15]             Koran (Sure 2: 136).

 

[16]             Vgl. Ibn Ishaq: Das Leben des Propheten. Aus dem Arabischen übertragen  und bearbeitet von Gernot Rotter. Spohr Verlag 1999, S. 224.

[17]             Siehe Islam und Muslime, S. 20. Vgl. dazu auch Mansour, Mohammed Ahmed: Islamische Texte. Muhammad und diejenigen mit ihm. Dar Al-Kamal-Verlag, Kairo 2002, S. 54 f.

 

[18]             Siehe Zakzouk, Mahmoud: Einführung in den Islam, 407.